Von Leo und Sebastian, einem reisenden Paar aus Augsburg, bekamen wir den Tipp für unser nächstes Ziel: Die Öko-Farm El Girasol zwischen San Marcos und Jinotepe. Weil das von der Lagune Apoyo nicht so weit entfernt war und sehr verlockend klang, nahmen wir Kontakt mit Carmen, der Herrin der Farm, auf und machten uns auf den Weg zu ihr.
Zunächst begann das Abenteuer mit einem Scheibenwischer auf Abwegen und einer Schlamm-Buckel-Piste im Wald.
Wir waren im Trockenen am See losgefahren, doch leider hielt das Wetter auch an diesem Tag nicht und es fing unterwegs an zu regnen. Kurz nach dem Einschalten des Scheibenwischers gab es einen Schlag und das linke Wischerblatt flog im hohen Bogen davon. Marko hat die Einzelteile dann von der Straße wieder aufgeklaubt, aber, nachdem vermutlich eines der nachfolgenden Autos schon drüber gefahren war, war ein Zusammenbau selbst mit hoher Ingenieurskunst nicht mehr denkbar. Schließlich hat er einfach das rechte Blatt an den linken Wischerarm geklemmt, sodass zumindest er wieder sehen konnte. Bennett hat sich derweil über den abstehenden, wackelnden rechten Wischerarm kaputt gelacht.
Das letzte Stück des Weges führte durch den Wald und weil es auch schon in den letzten Tagen nicht zu wenig geregnet hatte, war der Weg ziemlich rutschig. So kam es, dass wir nach einigen gescheiterten Versuchen, unser Auto eine sehr holprige Steigung hinauf zu bekommen, Carmen anrufen mussten. Sie kam uns sofort entgegen geeilt und unser erstes Kennenlernen fand im dunklen matschigen Wald statt. Anschließend stieg sie zu uns ins Auto und lotste Marko über einen anderen Weg zur Farm.
Die Waldweg-Verhältnisse hier kann man sich als Europäer nicht vorstellen. Unsere Wanderwege sind Autobahnen gegen die hier als normale Zufahrtstraßen genutzten Pisten. Ok, die häufigsten Fortbewegungsmittel sind dafür auch Pferde und Motorräder.
Zurück zu Carmen. Sie ist gebürtige Nicaraguanerin und hat über dreißig Jahre in Deutschland gelebt. Ihr Traum war es stets, wenn ihre beiden Söhne erwachsen sind, wieder zurück in ihre Heimat zu gehen. So hat sie sich mit ihrem Mann Detlef vor gut zehn Jahren das Grundstück in der Region Carazo gekauft und zu dem gemacht, was es heute ist – El centro agroecologico El girasol.
Wir durften unsere Zelte aufschlagen, ohne sie aufzuschlagen, weil wir ein kleines leerstehendes Haus beziehen konnten. Die Jungs waren sehr glücklich mal wieder unter einem festen Dach zu nächtigen, ich musste mich erst daran gewöhnen, kein Moskitonetz mehr um mich zu haben. Ab der zweiten Nacht blieb dann auch ein Licht an. Denn nachdem in der ersten Nacht Obstfledermäuse durchs Haus geflogen waren, war es mir schlichtweg zu unheimlich.
Am nächsten Morgen holte uns Carmen ab und machte mit uns eine Tour auf ihrer Farm – 3,5ha geballte Naturpower. Sie zeigte und erzählte uns so viel, dass wir uns im Anschluss alle fühlten wie nach einem langen Schultag im Schulgarten.
Wir lernten Kaffee- und Kakaopflanzen kennen, die hier miteinander wachsen dürfen, aßen frisch gepflückte Moringablätter, Wasserbirnen, süße Zitronen, Pitayas, Sternfrüchte, Bananen, Ananas, Orangen, Maniok, lutschten die süße Hülle der Kaffee- und Kakaobohnen, schälten ein bissschen Zimtrinde vom Baum und erfuhren von anderen seltenen Bäumen, die Carmen anpflanzt, um deren Aussterben entgegenzuwirken. Sie erzählte uns von Kongressen, von Projekten mit Studenten und von Hilfe-zur-Selbsthilfe-Projekten mit Anwohnern und Bauern der Region und von ihrer Forschungsarbeit mit Don Carlos, dem Ingenieur, den wir auch kennenlernen durften. Sie bringt Mensch und Natur, wieder zusammen und gibt ihr unglaubliches Wissen und ihre Liebe zu den Pflanzen weiter. Sie ist ein „Fenster für die Bauern“, wie sie sich selbst bezeichnet.
Aber, sie erzählte auch von den Schattenseiten, von der Kriminalität und der Faulheit derer, die lieber stehlen, als sich ihre Bananen oder Cocosnüsse zu verdienen, von der Polizei, die die Täter kennt, aber nichts tut, von den Klebstoff schnüffelnden Jugendlichen, die im Rausch randalieren und von den Schwierigkeiten, gute und verlässliche Arbeiter zu finden.
Wir klebten förmlich an ihren Lippen. Es war so unglaublich bereichernd und zudem so schön, mitten in dieser grünen Vielfalt zu sein, dass wir eine ganze Woche bei ihr blieben.
Weil die Zelte ja nicht aufgebaut waren, konnten wir einen Tag nach Managua fahren und uns um neue Reifen kümmern. Jetzt haben wir wieder Profil, was in regennassen Wäldern durchaus hilfreich sein kann, wie wir gelernt haben. Marko ließ es sich anschließend auch nicht nehmen, den Weg zu fahren, an dem wir zuerst gescheitert sind – perfekte Haftung…
Von hier ging es weiter zur Vulkaninsel Ometepe…
Liebe Franzi,
was für ein schöner Bericht über eure Tage bei Carmen und Detlef! Bei den tollen Fotos kriege ich direkt „Heimweh“ nach El Girasol!
Viele liebe Grüße
Leo