Die Regenzeit in Costa Rica zwang uns ganz schön in die Knie. Die Nässe von oben sickerte uns ins Gemüt. Und damit nicht genug, sie nahm Besitz von Stoffen, Hölzern, Metallen und Papieren, hinterließ hier schwarze Flecken, da grünen Flaum und Modergeruch. Alles sehr unangenehm!
Jedoch, die Buchung der Schiffspassage für das Auto nach Südafrika war zunächst noch nicht bestätigt, die Flüge noch nicht gebucht und die Dauer unseres Verbleibs in Mittelamerika zwar theoretisch klar, aber praktisch eben noch offen. Durchhalten war also die Devise.
Wir hielten es aus. Und, wir hielten auch uns aus. Ja, wir hatten die nahezu entspannteste Zeit unserer Reise. Die Dinge konnten wir nicht ändern, also haben wir die Sicht geändert, um dorthin zu kommen.
Wir bauten uns auf dem Hof von Don Luis am Meer unser Nest und blieben fünf Wochen. Vormittags schien recht zuverlässig die Sonne und ab dem Nachmittag regnete es meist – manchmal in gemütlicher Tröpfchenintensität, manchmal so, dass unsere Schuhe davon schwammen, dann mussten wir eng zusammen rücken.
Bis hierher waren wir, Marko und ich, einen Großteil der Zeit damit beschäftigt, die Jungs zurechtzuweisen, damit hier nichts kaputt geht, dort keinem wehgetan wird und da alle gleichviel haben oder machen. In den Köpfen der Kinder herrschte ein dauerhaftes Missverhältnis zwischen Ich und Du. Ich komm zu kurz, ich mach zu viel, ich bin benachteiligt. Angeheizt durch unseren zum Scheitern verurteilten Versuch, alles allen gerecht zu machen. Was ja schon per se nicht geht, weil Gerechtigkeit ein zutiefst individuelles Empfinden und kein erreichbarer Zustand ist.
DAS war auf acht Quadratmetern im Regen nicht auszuhalten. Wir brauchten einen Perspektivenwechsel. Und so begannen wir Prinzipien über Bord zu werfen und alte Handlungsstrategien loszulassen. Wir versuchen weniger vorzugeben und zu „erziehen“ und dafür mehr hinzuhören und in Austausch zu gehen. Sagen oder denken seltener „NEIN, das geht nicht/ das schadet dir!“ oder „Tu das jetzt, das musst du lernen!“, dafür öfter „JA, entscheide du/ das ist für uns in Ordnung!“ Wir haben den Druck und Zwang, die Macht verbannt oder das zumindest versucht. Es gibt keine (imaginären) Listen mehr, wer abwaschen oder kochen muss. Sondern es gibt die Möglichkeit, (mit)zu machen oder irgendwann auch die Notwendigkeit, etwas zu erledigen. Wir haben ausdrücklich vereinbart, dass jeder Nein sagen kann. Immer. Auch wir.
Wir erlebten nach diesem Sinneswandel eine unglaubliche Veränderung. Der Kampf um die beste Position, das größte Stück oder die meisten abgetrockneten Quadratzentimeter ist fast vorbei. Plötzlich sagen sie immer wieder JA und schauen dabei nicht, ob die anderen auch ja gesagt haben, sondern nur nach sich selbst. Sie stehen nicht mehr im Wettbewerb miteinander sondern harmonieren immer öfter.
Außerdem haben wir den Medienkonsum deutlich entspannt. Wenn es regnet dürfen die Jungs schauen, aber nicht grenzenlos spielen. Das führt dazu, dass sie sich ganz nach ihren Bedürfnissen aufteilen – die einen schauen Angler-/BMX-Videos, die anderen schauen Videos der Lieblingsgamer oder sie/wir schauen gemeinsam Filme. So erlebten wir z.B. viele Asterix Kinoabende. Ja, wir hätten auch immer Brett- oder Kartenspiele spielen können, aber dazu haben WIR (und auch die Kinder) eben auch nicht dauerhaft Lust und im Hinblick auf die Selbstfürsorge wär das ein ungutes Verbiegen gewesen.
Es ist ein Weg, eine aus unserer besonderen Situation heraus entstandene Idee, die wir mal besser und mal nicht so gut umsetzen können. Friedvolle Elternschaft bedeutet friedvolles Miteinander von Groß und Klein ohne Macht und ihre Mittel. Eine unglaubliche Bereicherung für unser Weltreise-Familienleben. Eine neue Sicht auf unsere Kinder, eine neue Haltung gegenüber den Menschen. Das ist sehr spannend.
Interessant wird es, wenn wir zunächst hier unsere kleine Oase verlassen und wenn dann auch noch die ganz großen Veränderungen anstehen. Nicht alle von uns tun sich leicht mit Veränderungen. Das wird eine neue Herausforderung, aber auch die werden dir meistern…
Hallo schön wieder etwas zu hören. Besonders, weil wir ja Costarika ,Panama und Kolumbien auch schon besucht haben. Schön zu wisse, dass ihr bei eurem Familienleben die gleichen Probleme habt wie wir vor x Jahren. Macht weiter mit den lockeren Zügeln. Jann und Theo berichten uns aus Australien und ihr aus Costa Rica, schön das Die Welt so offen ist. Lilli und Petra waren heute zum Mittagessen bei uns. Es galt die Martinsgans zu verspeisen. Denn in 6 Wochen ist Weihnachten. Also weiterhin alles gute
Alle Cottbuser.
Oh Franzi,
Ich hab ein breites Grinsen im Gesicht, während ich das lese. Ich freue mich, dass ich gefühlt nach ‚Wochen‘ wieder von Euch lese und noch mehr darüber, was ich lese.
Ich freu mich sehr auf Eure Afrika Abenteuer und danke für die schönen Impressionen aus Amerika im letzten Jahr.
Alles Liebe und Grüße an alle
Claudia
Oh ja, es waren Wochen… Ich freu mich, wenn du mit uns weiter reist und ich dich wieder zum Grinsen bringe 🤪 Klingt so, als wäre dir das Thema bekannt… Liebe Grüße!
Liebe Franzi, wow – Loslassen in der Großfamilie. Klingt spannend. Ich bin interessiert, mehr zu erfahren und freue mich auf weitere Beiträge 😊
Viele liebe Grüße Susanne
Ich gebe mir Mühe, dass das in Afrika wieder regelmäßiger klappt 😉 Liebe Grüße nach Stuttgart