Vier unglaubliche Tage durften wir in Motherwell Teil des „social-uplifting“-Projekts „Flowers for Africa“ sein. Tage, die sich in mein Herz gebrannt haben. Tage an denen ich viel gelernt habe über soziales Engagement von Menschen die nicht viel mehr geben können als ein großes offenes Herz. Tage an denen mir Kinder gezeigt haben, mit wie wenig man leben und trotzdem lachend durch den Tag tanzen kann. Tage die meine Speicher mit Menschlichkeit und Herzenswärme aufgefüllt haben. Randvoll. Ich bin unendlich dankbar, dass unser Weg uns hierher geführt hat und ich neben wundervollen Fotos kostbare Erinnerungen an diese Zeit mitnehmen kann. Es werden einige der schönsten und wichtigsten Tage unserer Reise für mich bleiben.

Häuser, Hütten, Müll soweit das Auge reicht – deshalb sind diese Projekte so wichtig

Hilfsprojekte wie dieses bedürfen besonderer Achtsamkeit. Jeder hat sicher schon mal von Projekten gehört, wo z.B. für ein Dorf, von außen „dirigiert“, etwas gebaut oder getan wurde und am Ende über kurz oder lang das Neue verfallen ist oder ungenutzt blieb. Dann war die Idee sicher gut, aber das Ergebnis nicht so hilfreich.
Ein anderer Weg ist es, ebenfalls von außen, zu bestimmen, was dem Dorf fehlt und dann die Menschen des Dorfs dazu bringen, den Mangel zu beseitigen. Der Ansatz ist besser und bedeutet zumindest für den Anfang oft Erfolg. Langfristig wird aber meist deutlich, dass „von außen“ eben eine extrinsische Motivation ist, die dauerhaft zugeführt werden muss. Das Projekt bleibt davon abhängig.
Ein dritter, hier in Motherwell im Vordergrund stehender Ansatz ist es, mit den Bewohnern des Dorfes zu schauen, was ist denn da. Welche Skills gibt es und was kann daraus entstehen. Das braucht mehr Zeit, denn das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht. Es bedeutet, die Dinge von innen entstehen zu lassen und von außen geduldig zu begleiten, Fäden zu halten und zu helfen, wenn Hilfe benötigt wird. Die Motivation aber kommt von innen, aus den Herzen der Menschen vor Ort.

Ganz konkret heißt das in Motherwell zum Beispiel:

Mamas place

Es gibt „Mama“, die die Fähigkeit hat, für viele zu kochen und sieht, dass die Kinder regelmäßig ein warmes Essen brauchen, das aber oft nicht bekommen. Geld für Lebensmittel hat sie nicht. Sie braucht also von außen Unterstützung, Lebensmittelspenden, z.B. über Supermärkte, zu organisieren. Hier in Afrika werden, im Gegensatz zu Europa, abgelaufene Lebensmittel nicht weggeschmissen, zu viele Menschen leiden unter Hunger. So entstand „Mamas place – soup kitchen & art gallery“ und im Weiteren, erzählt sie mir, hat sie Ideen, wie sie z.B. den Kindern das Kochen beibringen kann oder wie der Nährwert des Essens verbessert werden kann. Das passiert in ihrem Tempo und mit den in den eigenen Reihen vorhandenen Ressourcen an (Wo)manpower. Und wenn es keine Lebensmittel zum Kochen gibt, dann gibt es zumindest einen Ort, wo die Kinder täglich malen oder basteln können. Es muss nicht täglich oder immer an den gleichen Wochentagen Essen geben. Es gibt weder Listen noch Handzettel, die die Kinder ihren Eltern mitbringen. Das, was bei uns üblich und oft notwendig ist, um Tagesabläufe von Familien zu organisieren, spielt hier keine Rolle. Dennoch, je öfter, umso besser für die Kinder.
An einem Tag durfte ich miterleben, wie nach dem Malen der Blumen alle Kinder mit Schüsseln und Löffeln aus ihren eigenen Hütten zurück kamen, sich geduldig angestellt haben (viel geduldiger als wir damals in der Schule beim Mittagessen) und anschließend plaudernd und lachend gemeinsam auf dem Boden sitzend ihre Portionen gegessen haben. Mittags waren Marko und ich etwas überrumpelt worden mit der Frage, ob wir Gas und Lebensmittel finanzieren könnten. Abends war ich froh und dankbar, dass wir es konnten und gemacht haben.

Ulundis House of pallet

Dann gibt es Ulundi, den besagten Woodworker, der in Ermangelung neuer Bretter recyceltes Holz verarbeitet. Das aus alten Paletten Möbel gebaut werden können, weiß fast jeder. Ulundi macht außerdem aus Hölzern z.B. Taschen. Und mit den Kindern stellte er in der Projektwoche Hausnummernschilder für die Nachbarn her. Konkret sah das so aus, dass wir in den Nachbarhäusern gefragt haben, ob sie sich ein Haunummernschild wünschen, dann haben die Kinder auf Papier einen Entwurf gezeichnet und anschließend das Schild aus alten Planken gefertigt. Aus Altem Neues machen, schöpferisch tätig sein, Schönes erschaffen und Menschen damit glücklich machen. Ich glaube, das ist an diesem Tag gelungen.

Blumen, bunte Wände und der Kampf gegen den Müll

Und dann sind da noch die Menschen, die mit den Kindern malen. Auf alten Pappen, auf Papieren und manchmal auch auf Wänden. Wie wichtig die Malerei für die Seele der Menschen ist, damit haben wir uns schon in Nicaragua in der „Casa de los tres mundos“ auseinandersetzen dürfen. Dort wo Menschen entwurzelt scheinen, weil die Lebensverhältnisse alles andere als gut sind, weil sie Armut, Unsicherheit oder Perspektivlosigkeit erfahren. Dort wo Suizid und Drogenabhängigkeit zwei realistische Zukunftsprognosen sind. Dort kann es helfen, den kulturellen Wurzeln Aufmerksamkeit zu schenken. Und die Malerei ist eines unserer wichtigsten Kulturgüter. Motherwell ist nun wieder ein Stück bunter geworden. Mehr Hütten haben bunte Blumen bekommen, Hütten, die zum Teil kaum größer sind als ein Doppelbett. Ein großer grauer Mauerabschnitt ist jetzt bunt, dafür ist die Wiese davor wieder grüner. Den Müll haben wir mit den Kindern zusammen weggeräumt. Stück für Stück. Aufmerksamkeit lenken, Kinder mitnehmen. Sie sind so neugierig, so kreativ, so offen, so lustig. Seht selbst…

Posing wann immer eine Kamera im Spiel ist

An meinem ersten Abend, nach dem Malen, haben einige Kinder große Freude daran gehabt, mit meiner Kamera Fotos von sich zu machen. Jeder wollte gern mal vor und mal hinter der Kamera stehen. Dabei und auch an den folgenden Tagen ist mir aufgefallen, dass von klein bis groß alle Kinder sich wunderbar aufs Posen verstehen. Sie machen sexy Bewegungen, schlagen ihre Augen lasziv nieder oder sind besonders cool. Marko brachte mich dann darauf, dass das vermutlich eine von klein auf antrainierte Form der Selbstdarstellung ist, die vielleicht irgendwann den Sprung aus dem Township bedeuten kann. Zum richtigen Zeitpunkt beim richtigen Gegenüber angewandt… Gender roles. Das war interessant zu beobachten und dennoch macht es mich nachdenklich und traurig. Unsere Kinder haben so viele Wege, manchen der Kinder aus den Townships bleibt vielleicht nur dieser eine…

5 Kommentare

  1. Hallo Ihr lieben Sieben,
    ständig habe ich mir Sorgen gemacht und auf eine Nachricht gewartet, ob denn Euer Wohnmobil bereits ausgeliefert wurde und selbst meine Nachbarn und Freunde haben mitgefiebert. Jetzt habe es auf einem Foto erkannt und in den Kommentaren konnte ich lesen, dass alles einschließlich der Papiere endlich übergeben wurde und nun bin ich beruhigt.
    Euer soziales Engagement ist sehr lobenswert und beeindruckend. Vielleicht macht es Schule und weitet sich noch auf andere Orte aus.
    Ich wünsche Euch weiter ganz viele tolle Erlebnisse und eine gute Weiterreise.
    Herzliche Grüße von Dietmar

  2. Wie immer ein schöner Bericht. Die Fotos aber sind etwas besonderes. Grüße aus cB. Morgen sind wir in Dresden.

  3. Hallo in die Runde,
    ist das eigentlich Euer Sprinter da auf dem ersten Foto mitten im Müll ?? Ist er also wohlbehalten angekommen oder gabs Probleme?
    Grüße aus dem sonnigen Rheinland !
    Heinz

    1. Hallo Heinz, ja, das ist tatsächlich unser Auto. Nach einem desaströsen Verschiffungs-Krimi haben wir nun Auto und Papiere bei uns. Dazu gibt es einen extra Blogbeitrag (vielleicht wird es auch gleich ein Buch…) Liebe Grüße zurück.

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