Unser Housesitting in Johannesburg ließ uns ein bisschen eintauchen in das südafrikanische Alltagsleben.

So kam zum Beispiel täglich das Hausmädchen der Familie, um alle anfallenden Hausarbeiten zu tun. Wir taten uns bisweilen schwer miteinander – wir waren ihr im Weg und störten ihre Routine und sie war in unserem Geschehen dauerpräsent und signalisierte uns deutlich, wenn wir hier was wegräumen oder da weggehen sollten. Kommunikation war sehr schwer, weil sie nur ganz schlecht englisch sprach und wir kein zulu. Wir versuchten also, sie mit Plätzchen oder Eis milde zu stimmen aber, es war schwer. Bis zum Schluss. Manches Mal hätte ich lieber einen Kaffee mit ihr getrunken, als diesen ewigen Tanz umeinander zu vollführen, aber die Kluft ist tief zwischen schwarz und weiß. Grautöne sind historisch nicht gewachsen, im Gegenteil. Das spürten wir sehr deutlich und bekamen unser Gefühl bestätigt – im Apartheid-Museum Johannesburg.

Ich gestehe, ich hatte in der Schule nicht gut aufgepasst als die Apartheid durchgenommen wurde. Marko erzählte, dass er schon gegen die Apartheid demonstriert hat, damals in der DDR. Ich hatte wenn, dann nur eine vage Ahnung. Rassentrennung. Hier nur weiß, da nur schwarz. Aber wie das in Südafrika historisch entstanden ist und was Nelson Mandela jetzt genau mit dem Ende des Apartheid-Zeitalters zu tun hat, das war mir unklar. Es war also eine schlaue Idee, das weltweit einzige Apartheid Museum zu besuchen, wenn es schon mal so nah ist. Also ignorierten wir die Altersempfehlung (ab 12Jahre), setzten uns über die Unlust mancher unserer Kinder hinweg und begaben uns auf historische Pfade. Und stellten fest, dass das Museum mehr war als „nur“ langweilig aufbereitete Geschichte – ein Ort gegen das Vergessen, für uns ein Ort des Verstehens und irgendwie auch ein neutraler Boden, denn das Publikum war in der Tat bunt gemischt.
Neben kurzen Geschichten über die ersten Siedler erzählt das Museum über das Zeitalter des Goldrauschs Ende des 19. Jahrhunderts, welches Menschen von überall anlockte, die Zeit der Industrialisierung, welche den Grundstein für die Rassentrennung legte, die Zeit der Apartheid und die Zeit Nelson Mandelas. Immer wieder wurde Musik gespielt, wurden Filme gezeigt, hörte man verzweifelte Demonstranten schreien oder Politiker Reden halten. Beklommenheit machte sich in mir breit. Ein Gefühl, dass ich bis dahin so noch nicht kannte. Jetzt weiß ich, wie sich ein Kloß im Hals gepaart mit Zukunftssorgen und dem Gefühl nichts tun zu können anfühlt. Mir wurde klar, dass ich schon die Kluft zwischen unserem Hausmädchen und mir nicht werde schließen können, geschweige denn, dass der neu sich bildende „umgekehrte“ Rassismus, der dadurch entsteht, dass Weiße hier keine Jobs mehr bekommen, die mit Farbigen besetzt werden können, aufzuhalten ist. Hatten wir das nicht auch alles schon mal? Wohin bewegt sich die politische Situation in Deutschland gerade?
Es war eine bittere Erkenntnis und in mir wird ein Gefühl der Ohnmacht und des Unwohlseins bleiben. Mein schlechtes Gewissen plagt mich, sobald ich das Gefühl habe, irgendwo nur aufgrund der Tatsache, dass ich weiß bin, bedient zu werden. Ich bedanke mich ständig, wir geben Trinkgeld an Stellen, wo es offensichtlich nicht üblich ist und verhalten uns wahrscheinlich oft merkwürdig, weil wir versuchen einen Mantel abzuschütteln, der nicht abzuschütteln geht. Anders auszusehen fühlt sich hier noch mal anders an, als in Mittelamerika und gibt uns viel Stoff zum Reden und Austauschen mit den Kindern.

Aber nochmal kurz zurück zum Museum und zu dem Menschen, der über ethnische und politische Mauern hinweg geliebt und verehrt wurde wie kein anderer, der Sprachrohr war für Themen, die sonst im Verborgenen blieben, der 67 Jahre für Menschenrechte gekämpft hat und in dessen Nachruf der Satz steht: „Wie sollen wir ohne ihn weiter leben?“: Nelson Mandela. Erster farbiger Präsident Südafrikas. Frauenrechtler, Menschenrechtler. Sprachrohr für HIV-positive und Aidskranke. Bindeglied zwischen Menschen und Nationen. Er war 27 Jahre seines Lebens als Apartheidgegner im Gefängnis und hat dennoch nie aufgehört, sich gegen Ungerechtigkeit aufzulehnen und den Schwächeren eine Stimme zu geben.
Die unendlich große Verehrung für ihn wird auch im Museum spürbar. Ein Teil des Museums ist ihm allein gewidmet. Raum für Politik, Kunst und Trauer. Wie viele Zitate von ihm stammen ist unglaublich. Am Ausgang stehen Tafeln mit verschiedenen Portraits von ihm und nach Themen farbig unterschiedenen Zitaten. Dazu vier Behälter mit langen Stäben in eben diesen Farben. Die Besucher sind angehalten, die Worte zu lesen und sich einen Stab der sie ansprechenden Farbe auszuwählen und diesen im Hof in einen der vielen, Blumenkasten ähnlichen Quader zu stecken. Ich lese mit den Jungs, versuche bestmöglich zu übersetzen und sie wählen sich ihr Zitat und ihren Stab, manchmal auch mehrere. Die Welt ist bunt, so wie der Hof im Apartheid-Museum. Ausgerechnet. Verrückt, oder?

Zurück in unserem Haus auf Zeit wusste ich nun, dass es ein Hausmädchen in nahezu jedem Haushalt gibt und dass die Trennung an dieser Stelle sehr klar ist: sie sind niemals weiß. Sie arbeiten für so wenig Geld, dass Normalverdiener sie sich leisten können. Ebenso ist es mit dem Garten. Der Gärtner kommt wöchentlich und mäht die zehn Quadratmeter Wiese. Auch er ist farbig.
Und weil wir ja in Johannesburg sind – um dem Ruf dieser Stadt und den hohen Elektrozäunen um alle Grundstücke gerecht zu werden – erreichte uns am letzten Tag eine weitergeleitete Nachricht der Nachbarschaftsgemeinschaft, dass ein paar Straßen weiter ein Haus von Dieben leergeräumt wurde. Sie hatten sich als Mitarbeiter der Grundstückspflege ausgegeben. Natürlich Schwarze.

Mit gemischten Gefühlen verließen wir Johannesburg. Wir haben viel gelernt, unser Gefühl hat uns viel gelehrt.

Mit dem Haus und den Hunden hat alles gepasst. Es gab abgesehen von den Stromausfällen keine Zwischenfälle. Wir haben auch ein Auto nicht vermisst, denn wir konnten im Sparmarkt über die Straße einkaufen. Für Besorgungen anderer Art und unseren Ausflug ins Museum sind wir mit UBER und Taxi gefahren. Auch hier haben wir gelernt, dass wir sicher nie Fans des UBER-Systems werden, dass es aber Flecken auf dieser Erde gibt, wo es alternativlos ist.
Die Jungs haben zugegebenermaßen einen hohen Medienkonsum gehabt. Sie haben dank Netflix viele Filme geschaut, die dann aber zumindest auf Englisch waren. Lediglich Shaun das Schaf war, weil textlos, ohne Fremdsprachenlerneffekt. Außerdem hat das schnelle Internet natürlich die unendlichen Weiten von youtube geöffnet. Auch dort haben sich unsere Kinder gelegentlich verlaufen.

Unsere Hunde waren so pflegeleicht, dass sie außer Futter nicht viel brauchten. Ab und an, wenn wir da waren durften sie eine Runde um und in den Pool. Sie waren sehr liebenswert aber eben nicht so kuschelig. Für unseren ersten Dauerkontakt mit Hunden war das aber perfekt. Und mindestens Florentin hat gelernt, dass er nach fünf Tagen keine Lust mehr hatte, morgens aufzustehen und den Hunden ihr Futter zu geben. Da bin ich doch sehr froh, dass wir nicht Gassigehen mussten.

Und, weil ich es mal erwähnt hatte, auch mit dem Opa, der ebenfalls auf dem Grundstück lebt, hat alles geklappt. Er hat aufgrund seiner Demenz anfangs manchmal vergessen, wer wir sind und wann seine Familie zurückkommt. Und er hat einmal das Rad seines Trolleys abgebaut und dann drei Tage die Schraube nicht mehr gefunden und verschiedene Menschen verdächtigt, bei ihm gewesen zu sein. Schlussendlich ließ sich aber alles aufklären und lösen.

So gingen unsere Tage in Johannesburg zuende. Wir übergaben das Haus wieder an Hennah und ihre Familie und machten uns auf den Weg nach Port Elizabeth. Für die 1100 km hatten wir uns einen Bus gemietet und zwei Zwischenübernachtungen gebucht. Und nach den zwei Wochen im „Hochsicherheitstrakt“ in Johannesburg war insbesondere ich nun sehr gespannt auf das weite, das wilde Südafrika…

2 Kommentare

  1. hallo, Ihr sieben Weltreisenden, einen fröhlichen Neujahrsgruß und allerbeste Wünsche für den „kleinen Rest“ Eurer Reise senden die Mobschatzer bei blauem Himmel, Sonne pur und 2°. Außerdem gratulieren wir auch Euch zu dem kleinen Mädchen in Eurer Großfamilie, die vielen Jungs wird es sicher freuen. Wir drücken Euch die Daumen für ein nahezu unversehrtes Auto, habt weiterhin eine schöne Zeit und bleibt gesund! Renate

  2. Hallo ihr weltebummler, es ist der 2. Weihnachtsfeiertag und wir sitzen mit Petra, Lilli, Raphael und Julia beim Chillen und puzzlen. Jana und Christiane und Jenny sind gerade abgefahren. Wir hoffen ihr hattet ein schönes Weihnachtsfest. Obwohl wir von Jann und Theo immer Meldungen bekommen kann ich mir Weihnachten bei 30 Grad nicht vorstellen. Jedenfalls noch nicht. Deinen Bericht über das Museum fand ich gut. Ja es ist schon irre auf welche Stufe sich Menschen stellen nur um auf andere herab zu stellen. Gute Reise weiterhin und bis bald . E u J

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