Drei Tage sollte unsere Fahrt nach PE, wie Port Elizabeth hier genannt wird, dauern. Wir hatten die Route im Vorfeld festgelegt und versucht, Zwischenübernachtungen zu finden, die im Budget liegen. In Südafrika ist Hochsaison, es sind Ferien und zusätzlich kommen die Besucher aus der nördlichen Hemisphäre, die Sommersonne tanken wollen. Das PE ein Touristen-Umschlagsort ist, war uns so gar nicht klar. Ich dachte, es ist vor allem eine Stadt mit einem großen Containerhafen, die die Touristen eher nicht anzieht, aber, weit gefehlt, sie ist einer der Knotenpunkte für Südafrikareisende. Hier endet die von Kapstadt kommende Gardenroute – DIE Panoramastraße Südafrikas, hier starten oder landen Reisende von oder nach Johannesburg oder Durban und, auch hier ist ein internationaler Flughafen. Je weiter wir uns also näherten, desto teurer und ausgebuchter wurden die Unterkünfte. Und umso mehr stieg unsere Hoffnung, dass das Experiment „workaway“ funktionieren möge. Schließlich hatten wir noch mindestens zwei Wochen zu überbrücken, bis unser Auto ankommen würde.

Unsere Fahrt erinnert uns immer wieder an die Weiten der kanadischen Prairies. Am ersten Tag ist es meist flach und wir fahren oft auf schnurgeraden Straßen Richtung Horizont. Hin und wieder gibt es eine Siedlung, wo meist eine Hütte der anderen gleicht– mal Wellblech, mal Stein. Einfachste Verhältnisse, Klos außen drumherum aufgestellt, trockene Erde, geborstene Wasserrohre, Tramper (manchmal ganze Familien) am Straßenrand und in mir die Frage, wie Menschen, die unter diesen Bedingung leben, Kulturen und Traditionen leben und bewahren können. Was ist ihnen geblieben? Jeder vierte Afrikaner trägt statistisch den HI-Virus in sich. Ich mag mir nicht ausmalen, was für eine Brutstätte diese Siedlungen sind. Auch daran muss ich denken.

Die erste Nacht verbringen wir auf der Farm „Die Kuierhuis“ nahe Ventersburg. Alles wirkt hier ein bisschen wie eine Filmkulisse – von den rostigen Pflugscharen über die Dekosäulen im Garten und den herrlich liebevollen Kitsch in den Zimmern. Wir bekommen Limo und selbstgebackene Plätzchen zur Begrüßung und einen filmreifen lilafarbenen Sonnenuntergang. Das es doch das echte Leben ist, erfahren wir, als die Farmerin uns erzählt, dass ihr Mann im Stall grad um das Leben einer Kuh und ihres Kälbchens kämpft. Leider verliert das Kälbchen den Kampf, die Mutter überlebt zum Glück. Wir unterhalten uns nett mit den Farmern, die ehemalige Polizeibeamte aus Johannesburg sind. Irgendwann haben sie diesem Leben den Rücken gekehrt und sind in die totale Einöde gezogen – inmitten weiter Felder und phantastischer Sonnenuntergänge. Wir genießen die Ruhe und die Schönheit und sind am nächsten Tag gut erholt für unsere 600km-Etappe.

Diese führt uns dann nicht mehr nur durch weite Ebenen, sondern auch über einige Pässe nach Queenstown. Das Autofahren funktioniert gut, die Straßen sind mit europäischen Landstraßen vergleichbar. Der große Feiertagsverkehr, von dem im Radio gesprochen wird begegnet uns nicht. Offensichtlich hatten wir ein glückliches Händchen beim Planen.

In Queenstown haben wir dann wiederum eine nette Unterkunft und auch einen Supermarkt in der Nähe. Wir versorgen uns für den Abend und den Morgen, kochen in Töpfchen für zwei Personen portionsweise Nudeln und bringen am nächsten Tag die restlichen 350km hinter uns.

Redhouse, unser Ziel, ist ein Ort am Stadtrand von Port Elizabeth, gelegen am Swartkopsrivier.
Hier wollen wir die kommenden zwei Wochen als Volunteers verbringen. Dann sollte unser Auto da sein und wir können das Reisen wieder aufnehmen.
Mark, mit dem ich schon seit einigen Wochen Kontakt habe, führt zusammen mit seiner Frau Tina hier ein Hostel und hat auf einem Nachbargrundstück noch einige Bau- und Umstellungsprojekte laufen – einen Permakultur-Garten, ein Cottage, das ein begrüntes Dach bekommen soll und komplett aus recycelten Materialien aus- und umgebaut wird, Aufbereitung von Grauwasser für die Bewässerung usw. Wir wissen noch nicht so genau, was uns erwartet, fühlen uns aber in besagtem Cottage (welches aktuell noch ein Wellblechdach hat) gleich wohl. Es hat eine herrliche Veranda und überall duftet es – nach Basilikum, Lavendel, Oregano und „falschem Tabak“. Hummeln, fast größer als Kolibris brummen um uns herum, Vögel zwitschern und wir haben auch wieder drei Haustiere – eine Katze und zwei kleine Jack Russels.

Wie es sich in den ersten Tage ergibt, bestehen unsere Dienste hauptsächlich darin, im Hostel präsent zu sein, Gäste zu empfangen, wenn kein Mitarbeiter vor Ort ist oder bei Fragen zu helfen, Zimmer vorzubereiten und dafür manchmal auch Möbelstücke, Nachttischlampen, Ventilatoren oder Verlängerungskabel von A nach B zu räumen. Dabei ergeben sich zahlreiche Gespräche mit Tina und Mark, ihren Mitarbeitern und den Gästen, unter denen immer wieder auch Deutsche sind. Ich fühle mich manchmal in „alte Zeiten“ zurück versetzt, als ich im Hotel in Dresden während meines Studiums gearbeitet habe. Wir könnten sofort ein Business eröffnen und für das leibliche Wohl der Gäste sorgen, halten uns damit aber mal zurück. So schön es hier ist, dauerhaft ansässig werden wir wohl nicht werden…

Die Tage laufen meist so ab, dass Marko ab acht Uhr im Hostel ist und ich mit den Jungs noch frühstücke. Manchmal bleiben wir noch länger im Cottage, weil die Kinder noch Computerspielen wollen oder einer besonders lang ausschlafen muss. Wenn wir alle am Hostel sind, gehen die Jungs angeln, baden oder paddeln mit den Surfbrettern auf dem Fluss herum. Außerdem haben wir nur hier Internet, was bedeutet, dass die Kommunikation nach außen weitestgehend nur hier stattfinden kann. Zum Einkaufen fahren wir mit dem Zug in einen Nachbarort. Dadurch sind wir logistisch wieder autofrei aufgestellt und erleben wie schon so oft auf unserer Reise spannende Dinge bei der Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Aber ganz ehrlich, das Busfahren in Mittelamerika wird wohl durch nichts zu toppen sein.

Am Heiligen Abend machen wir es uns in unserem Cottage gemütlich, essen auf Markos Wunsch hin Toast Hawaii, weil es das in seiner Kindheit auch immer gab, und schauen uns ganz traditionell „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ an. An den folgenden Tagen versinken wir immer wieder in Michael Endes „Unendlicher Geschichte“, die ich den Jungs vorlese – eigentlich nur, weil ich selbst sie endlich lesen wollte. Am Ende wartet der Film auf uns, aber bis dahin ist es noch ein scheinbar unendliches Stück Text.

Ganz ohne Braten oder Menü vergeht auch der erste Weihnachtsfeiertag, der mit dem Tipp endet, am kommenden Morgen um 8.30 Uhr zum alljährlichen „gernerations triathlon“ am Bootsclub zu sein. Eine Mannschaft aus drei Personen, die mindestens zwei Generationen angehören sollen, teilt sich die Disziplinen: Schwimmen über den Fluss und wieder zurück, zwei Runden Radfahren ums Dorf und eine Runde Laufen ums Dorf. Livius und Valentin sind zusammen mit Marko, der bis dahin das Fahrrad nur auf dem T-Shirt trägt, sofort Feuer und Flamme.
Und so stehen wir am zweiten Weihnachtsfeiertag – Valentin mit Laufschuhen an den Füßen, Livius mit Badeklamotten unter dem Arm und Marko mit Crocs und Fahrrad-T-Shirt – am Bootshaus zur Anmeldung. Das Problem mit dem echten Rad wird sofort professionell gelöst und Marko bekommt von der Chefin des Kampfgerichts (die auch unsere Nachbarin vom Cottage ist) ein elegantes lilafarbenes Damenrad mit diversen Rostspuren. Das tut der Freude aber keinen Abbruch, sondern beeindruckt uns sehr. Mit einer so schnellen und unkomplizierten Lösungsfindung für die „people from oversea“ hatten wir nicht gerechnet. Und schon ist der Triathlon zum internationalen Wettbewerb geworden.
Livius springt für uns in die Fluten und schwimmt die Strecke seines Lebens. Ich bin sehr froh, dass er keine Zeit hatte, sich vorher viele Gedanken zu machen, sonst wäre er wohl nicht gestartet. Die Strecke ist aus dem Wasser betrachtet weiter, als er dachte (meine liebe Cousine Kati, nicht nur einmal haben wir an dem Tag an dich gedacht) und er kämpft wie ein afrikanischer Löwe. Dann übergibt er an Marko, der vor allem mit einem kämpft: dem Gegenwind. Die Runde ist knapp fünf Kilometer lang, er muss also knapp zehn Kilometer fahren. Macht er gut, kann er ja. Seinen Beinen sind die Schuhe und das Fahrrad fast egal, sie wissen noch, wie es geht. Dann geht Valentin auf die Strecke, der das Glück hat, zeitgleich mit einem anderen Jungen zu starten, der ein bisschen älter ist, aber sein Tempo läuft. So laufen sie zusammen und auch wenn der Junge auf den letzten Metern noch ein Stück davon läuft, ist Valentin total im Glück. Die Laufstrecke ist einfach sein Element…
Unser Team holt im Mittelfeld den 7. Platz von sechzehn Teams und zum Abschluss genießen wir alle die Verköstigung der Damen vom Dorf mit Muffins, Kaltgetränken und Kaffee. Danach kennt uns das ganze Dorf und wir gehören schon fast ein bisschen dazu.

5 Kommentare

  1. Hallo Ihr Lieben,
    herzlichen Glückwunsch zu Eurem erfolgreichen Triathlon-Wettkampf! Das hat mich wirklich sehr beeindruckt.
    Livius habe ich auf dem Foto kaum wiedererkannt, so groß ist er mittlerweile geworden.
    Ich wünsche Euch weiterhin eine erfolgreiche Tour und noch viele tolle Erlebnisse.
    Herzliche Grüße von
    Opa Dietmar

  2. Ihr Lieben Sieben
    Eure Multipack-Reisegeschichten lesen wir immer mit grosser Neugier, umsomehr, als wir Euch ja zweimal bei den Latinos in Mexico und Costa Rica begegnet sind und dabei ähnliche Strapazen erlebt haben, wie z. B. die Autos in Panama „aufs Wasser zu bringen“! Wir hoffen, dass Euer so treues Reisevehikel nun angekommen ist in Afrika. Unser „alter Dodge“ konnten wir mit zweiwöchiger Verspätung an in Kolumbien entgegennehmen, was auch dort nicht einfach war.
    Dan hatte 1 1/2 Tage im sehr warmen Hafengelände verbracht, kam zwischendurch per Taxi zurück ins Hotel, da seine Shorts ganz und gar nicht ins dieses „Hoheitsgebiet“ passte.

    Und nun sind wir nach 3 1/2 Monate auf der mehr „berüchtigten als berühmten“ PANAMERICANA Anfang Jahr 2020 bei unseren Freunden in CHILE / VINA DEL MAR angekommen.

    Wie abgemacht, hat mein unermüdlicher Chauffeur und Ehemann nach ca. 20’000 km am Steuer den chilenischen Boden geküsst.

    Vor lauter Übermut waren wir in der ersten Stadt ARICA in eine Einbahnstrasse geraten; die mehr als freundliche Polizei hatte uns gestoppt, um uns zwei Verirrte in ein Casino Restaurant (statt ins Gefängnis!) zu geleiten, dies mit Blaulicht! Dort konnten wir auf der Terrasse bei bestem Essen ganz tief chilenische Luft einatmen!!

    Anschliessend waren es noch gut 2’000 km auf der „Autopista“ durch die abwechslungsreiche Wüste samt ATACAMA, bevor wir unsere so herzlichen Freunde Pilar und Rodrigo umarmen konnten. Wir hatten sie vor drei Jahren in den Thermen in der Nähe von PUCON kennengelernt.

    Und hier sind wir nun, in ihrem grossen Haus mit Garten und drei Hunden (letzteres ist Euch ja sehr bekannt!), haben vorläufig gar keine Lust, uns in den Camper zu setzen, geschweige denn, dort zu schlafen. Ab nächste Woche gehts dann wieder los, ganz geruhsam, vermutlich hin und her zwischen Chile und Argentinien und stets etwas südwärts, was wir uns ja gewohnt sind.

    Wir geben uns auch hier drei Monate Zeit; dann überlassen wir unser Gefährt samt Camper Ausrüstung unseren Freunden, um in den Frühling von Europa zu fliegen.

    Vielleicht seid Ihr dann auch wieder dort angekommen!

    So oder so, in freundschaftlicher Verbundenheit grüssen wir Euch „7aufweltreise“
    Wilma und Dan

  3. Auch von uns lobende Worte für eure sportliche Leistung. Grüße kommen heute von der Nordsee bei scheußlichen Wetterbedingungen. Regen und Wind. Aber morgen freuen sich alle auf den Besuch bei Freddy und Maria und ihrer Freja. Grüße nach Südafrika.

  4. Hallo in die Runde,
    und erstmal beste Wünsche fürs neue Jahr nach Südafrika. Bin wirklich gespannt auf Eure weitere Reise.
    Bei mir war vor vielen Jahren (Mandela saß noch auf der Insel) nach einer mehrmonatigen Rucksackreise rund um den Viktoria See Schluss mit lustig, und ich habe diesen schwarzen Teil des Kontinents fast schon fluchtartig verlassen, bin nach Indien geflogen und nie mehr nach Schwarzafrika zurück gekehrt.
    Grüße
    Heinz

  5. 👍Super, da habt ihr euch ja tapfer geschlagen. Cool, dass ihr ein Fahrrad geliehen bekommen habt und wie man sieht, geht Triathlon auch mit einem lila Damenfahrrad. 😄 Die Jungs sind ein tolles Team. Glückwunsch!

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