Hand aufs Herz, woran denkt ihr, wenn ihr an Kapstadt denkt? Tafelberg? Schönste Stadt der Welt? Kap der Guten Hoffnung? Das Leben ist schöner am Meer? Weltreise? Traumziel?
Für mich war Kapstadt lang schon genau das. Und so war ich ganz schön gespannt auf DIE Stadt.

Wie zuletzt schon geschrieben, hatten wir unsere feste Basis am Orange-Ville Guesthouse in Stellenbosch, ca. 50 km vor Kapstadt. Der Ablauf unserer Visa stand zwar immer noch vor der Tür, aber wir wussten, von hier könnten wir im Notfall in zwei Tagen in Namibia sein. Und 13 Tage hatten wir noch. Genug Zeit also, damit wir uns, wie schon oft auf unserer Reise, langsam nähern konnten.
Drei Etappen sollten es werden – einmal wurden wir von unserem Host Hardy mit in die Stadt genommen, einmal fuhren wir mit unserem Auto um die Kaphalbinsel und schließlich buchten wir für zwei Nächte ein Hostelzimmer in der Stadt und nahmen ein UBER für die An- und Abreise.

TAG 1 – Ihr seid ja verrückt!

Hardy wollte einen Gast vom Flughafen abholen und bot uns an, uns mitzunehmen. Das nutzten wir gern und wurden sogar bis direkt an die Waterfront gefahren (am Flughafen weit vorbei). Danke Hardy!
Und da standen wir nun und brauchten einen Moment, um das zu realisieren. Nach zwanzig Monaten Weltreise waren wir in Kapstadt angekommen. Das fühlte sich irgendwie als Highight an, so ähnlich wie 16 Monate vorher unsere Ankunft in San Francisco. Nicht jede Metropole gibt mir dieses Gefühl, bei Kapstadt war es definitiv so.
Wir hatten keine Ziele und schlenderten in kleinen Kreisen um die Waterfront herum. Natürlich ist es sehr touristisch, natürlich spricht gefühlt der Großteil der Menschen deutsch und es ist auch davon auszugehen, dass die schönen Stoffe, Kleider und das Kunsthandwerk, das feilgeboten wird, Touristenpreise hat, aber dennoch: Der Duft nach Meer, der Blick auf DEN Berg, das Herz auf dem Schaum des Cappuccinos im un-öko-Pappbecher und die Klänge der Musik der Straßenkünstler – DAS hatte einen besonderen Zauber.
Wir genossen das. Nahmen uns Zeit für den Spielplatz und planten unsere weitere Zeit hier.

Für diesen Tag mussten wir aber erstmal zurück nach Stellenbosch und in altbewährter Manier prüften wir die Optionen der öffentlichen Verkehrsmittel und entschieden uns zugunsten der Eisenbahn. Nach unseren Erfahrungen mit den Bussen in Mittelamerika und unseren Zugfahrten in Port Elizabeth schien uns das machbar. Also begaben wir uns auf den Bahnhof und lernten kennen, warum man hier nicht auf dem Bahnsteig wartet, sondern am Kopfende wo sich alle Bahnsteige treffen – das, was auf den Anzeigen oder in Fahrplänen steht, ist eher so theoretischer Natur, rein praktisch kommt es in der Regel anders. In unserem Fall sollte unser Zug erst pünktlich kommen, dann verschwand er von der Liste und tauchte auf anderem Gleis mit anderer Nummer wieder auf. Sehr spooky. Die Wortfetzen der Durchsage glichen einer Runde Scrabble – dreifacher Wortwert bei richtiger Kombination aus Endhaltestelle und Gleis. Irgendwann, saßen wir in einem Zug und Markos Frage, ob dies denn der Zug nach Stellenbosch sei, wurde von einer anderen Mitfahrerin mit „Ich denke schon“ beantwortet. Alles klar!

Und los ging die Fahrt. Während wir Bonbons, Tomaten, Zwiebeln, Lottoscheine und Erfrischungsgetränke hätten shoppen können, verließen wir das Meer aus Gleisen, fuhren durch die nicht enden wollenden Townships vor den Toren Kapstadts und kamen nach 90 langen Minuten schließlich wohlbehalten in Stellenbosch an.
Zugegeben, auch wenn wir uns nicht unsicherer gefühlt haben als mancherorts in der Berliner U-Bahn, würde ich diese Tour so nicht noch einmal machen. Da waren mir die bunten, lauten Busse in Mittelamerika doch viel lieber.
Auf dem Campingplatz angekommen versetzten wir alle in großes Staunen. Ihr seid ja verrüclt!

Tag II – Touristen sind die mit den Dollarzeichen in den Augen

Wenn man sich Kapstadt auf der Karte anschaut, liegt es auf der Nordseite einer Halbinsel – der sogenannten Kaphalbinsel mit dem Kap der Guten Hoffnung als südlichstem Punkt. Und rund um diese Halbinsel gibt es noch mehr zu sehen und zu erleben. Deshalb packten wir unsere Sachen zusammen und machten uns mit unserem Auto auf den Weg, sie zu umfahren. Wir fuhren im Uhrzeigersinn, zuerst von Somerset nach Muizenberg. Wieder sahen wir endlose Townships – die erschreckende Realität südafrikanischer Städte.
Ein kurzer Exkurs: In Kapstadt leben vier Millionen Menschen, die Hälfte davon lebt in den Townships – zwei Millionen Menschen also in Wellblech, Dreck und seit der WM oft hinter hohen Zäunen aus Betonpfeilern. Man wollte die Realität aus der Perspektive der auf der Autobahn fahrenden Weißen gern aufhübschen, damit die Fußballwelt sich nicht erschreckt. Zwischenzeitlich hat der Zaun Lücken, die Kids spielen auf dem einzigen Grünstreifen ihrer Welt, dem zwischen Zaun und Autobahn, Fussball und baden nakig in ausgehobenen Wasserlöchern. Auch das ist Kapstadt und wieder denke ich, wie gut und wichtig es ist, auf einer Reise die Ganzheit der Dinge sehen und erleben zu können, bezieungsweise, dieser näher zu kommen.

Township bis zum Horizont, von dieser Straße ohne Betonpfeiler

Zurück nach Muizenberg, der Stadt mit den bunten Strandhütten, die sich uns nur im Vorbeifahren zeigen sollten, weil bereits der erste Parkplatzeinweiser so ungehalten und unfreundlich war, dass wir gar nicht erst ausgestiegen sind. Strand hatten wir schon – viel, schön, einsam und umsonst. Und ob wir jetzt auch ein Foto von den bunten Hütten haben oder nicht, war uns letztlich egal.

Also fuhren wir weiter bis Simons Town. Das ist dort, wo die Brillenpinguine versehentlich wohnen. Eigentlich gehören sie ja in die Antarktis, doch hier gib es eine Kolonie. Und weil Touristen ja die mit Geld sind, kann man sich die Pinguine für viel Geld anschauen. Machen auch viele, obwohl man für den gleichen Preis im heimischen Zoo auch welche sehen kann, incl. ihrer Nachbarn, der Elefanten und Giraffen.
Unser Glück war, dass die Pinguine sich nicht an die Schilder halten und während die Urlauber nicht auf der Meerseite zu den Pinguinen schwimmen können, können die Pinguine aber an den Strand zu den Urlaubern schwimmen. Und so kamen wir an den öffentlichen Badestrand, wo die Pinguine sich die Urlauber anschauen. Natürlich für den Preis eines Fotos…

Anschließend war der Plan, ans Kap zu fahren. Wir kamen genau bis zum Tor. Beim Anblick der Preistafel wollte Markos Fuß das Gaspedal nur noch in Kombination mit dem Rückwärtsgang bedienen. Knapp hundert Euro für einen Blick auf … viel Wasser. Danke, Nein! Begründung, siehe oben…

Damit waren wir am südlichsten Punkt unserer Runde und fuhren auf der Westseite wieder nördlich. Stoppten zum Picknicken am Surferspot Kommetjie, genossen die Aussicht vom Chapmans Peak und arbeiteten uns durch den Feierabendverkehr vorbei an Kapstadt zurück nach Stellenbosch.

Nach dieser Tour war mir klar, was das Besondere an Kapstadt ist – es ist die Fülle, die Schönheit der Natur, die Lage zwischen Meer, Bergen und dichtem Grün, die Vielfalt an Orten und Möglichkeiten in Kombination mit dem ganzjährig schönen Wetter. Das ist wirklich besonders.

Tage III, IV und V – Geburtstagstafel am Tafelberg

Ein zehnter Geburtstag stand ins Haus, bzw. Zelt. Und von der Zeitplanung her war klar, dieser wird an einem der beiden Tage sein, die wir für die zweitägige Stadtrundfahrt geplant hatten. Wir hätten also gegen sechs Uhr morgens in Stellenbosch, nachdem ich noch Kuchen gebacken habe, ganz schnell frühstücken müssen, um zwischen acht und neun an der Waterfront in den Bus der Stadtrundfahrt zu steigen. Das war uns deutlich zu ungemütlich und so entschieden wir nach einiger Recherche, dass wir uns ein Zimmer im Hostel 91loop reservieren und unser Auto bei Hardy stehen lassen.

So taten wir es und starteten nach dem Geburtstagsfrühstück unsere erste Hop-on-Hop-off-Stadtrundfahrt, incl. Botanischem Garten, Tafelbergbesteigung, Sonnenuntergangstour und Bootsfahrt. Kapstadt ist so groß, dass wir diese Entscheidung nicht bereut haben. So konnten wir dem deutschen Audio-Guide folgen und mussten uns nicht selbst mit öffentlichen Verkehrsmitteln organisieren. Und Loris war trotz oder vielleicht auch wegen der herausfordernden Wanderung auf den Tafelberg mehr als glücklich über seinen einmaligen zehnten Geburtstag…

Die Sache mit dem Tablet

Vor vielen Monaten schon ist auf unserer Reise Livius‘ Tablet kaputt gegangen. Zunächst hatte das Display zwei Sprünge, daraus wurde ein ganzes Spinnennetz und schließlich ließen sich viele Dinge nicht mehr bedienen. Und schon lang schiebt er die Idee vor sich her, sich den Traum eines iPads von Apple zu erfüllen. Ja, mögen manche sagen, muss denn das sein? Tut es nicht auch ein günstigeres? Könnte sein, aber Traum ist Traum. Da einen Kompromiss mit sich selbst zu finden, ist einfach nicht so leicht. Jeder kennt das.

Also schlich er an unserem ersten Tag in Kapstadt wieder um einen Apple-Laden, rechnete hin und wieder her aber egal, was er sich überlegte, die Lücke zwischen Taschengeld und Preis würde sich nicht schließen lassen, ohne sich längerfristig bei uns zu verschulden. Und solche Deals unterstützen wir nicht.
Und dann, ganz plötzlich stand sie im Raum, DIE Idee: Livius ruft eine Spendenaktion ins Leben, denkt sich ein Dankeschön für Spender aus (in dem Fall eine handgeschriebene Postkarte aus Kapstadt) und nutzt meine social-media-Kontakte, für den Aufruf. Wir dachten, wenn 25 Menschen €10 spenden, dann reicht das Geld. Und vielleicht finden wir diese 25 großen Herzen…
Gesagt getan. Postkarten haben wir gleich schon gekauft und gemeinsam haben wir die Kampagne formuliert, verschickt und abgewartet. Das war mal aufregend!
Der aufregendste Moment aber war, als wir nur wenige Stunden später feststellen durften, dass EIN Mensch die ganze Summe gespendet hat. Unglaublich! Unser großer Sohn so glücklich. Das war sein Moment und wer uns kennt, der weiß, dass sein Glück auch mein Moment war. Manchmal ist die Zeit reif für ein Wunder. Das Wunder von Kapstadt. DANKE!

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